Rhetorik-Tipp: Authentisch sein

„Sie haben uns zwei völlig widersprüchliche Tipps gegeben“, kritisierte mich ein Teilnehmer in der Pause eines Seminars. Ich war überrascht.

In diesem Seminar hatten wir eine sehr große Bandbreite an Teilnehmern aus der technologischen Unternehmensberatung. Ich gebe jedem Teilnehmer ein individuelles Feedback zu den Verbesserungsmöglichkeiten in seiner Ausstrahlung und seiner Rhetorik.

Ein Teilnehmer kam aus Kamerun. Mit wonniger Erzählfreude berichtete er über seine Jugend, in der er mit seinen Spielkameraden mit Dosentelefonen gespielt hatte, wie er damals eine Leidenschaft für Telekommunikation entwickelte und so seinen Weg nach Deutschland und zur IT fand. Ganz detailliert berichtete er über seine Projekte. Er kannte die eingesetzten Computermarken, Hersteller von Bandlaufwerken zur Datensicherung und die genauen Namen. Das Problem war, dass seine eigentliche Qualifikation in dieser Menge von Details nicht herauskam. Ihm riet ich daher, die Begeisterung zu erhalten, die detailierte Erzählung strategisch gezielt zu kürzen und an den anderen Stellen seiner Eigenpräsentation genauer seine Erfolgseigenschaften als Berater herauszustellen.

Nathalie, eine andere Teilnehmerin, hatte Rhetorik trainiert, das merkte man ihr an. Sie sprach geschliffenes, fast druckreifes Deutsch in fehlerfreier Grammatik. Ihre Rede war ernsthaft, sachlich und gespickt mit dem sachbezogenen Vokabular einer IT-Führungskraft. Das war perfekt, fast wie bei einer Politikerin. Viele Rhetorik-Trainer wären damit hoch zufrieden gewesen. Allerdings war Sie in Ihrer Persönlichkeit wie ausgewechselt, sobald sie die Rednerbühne betrat. Die in der Pause noch so freudig-lebendig plaudernde Frau wirkte dann plötzlich wie eine geschliffene Technokartin. Ihr riet ich dazu, mehr Lebendigkeit in Ihre Rede zu bringen, mehr Details zu präsentieren und einen Bezug zu ihrem eigenen Leben herzustellen.

In einem Fall also weniger Details, im anderen mehr? Ein Widerspruch? Keineswegs. In allen Präsentationen, ob es sich nun um die Eigenpräsentation in einem Vorstellungsgespräch handelt oder die Rede vor einem Unternehmensgremium, geht es immer darum, dass die Zuhörer einen authentischen Redner erleben wollen. Insofern gibt es zwar Kniffe, um Reden interessanter zu machen und Faszination auszulösen, aber letztlich müssen die eingesetzten Techniken zum Redner passen. In einer Präsentation wirken Sie selbst mit Ihrer Persönlichkeit als Redner, nicht die Aufzählung von Statistiken und Fachbegriffen. Da Menschen verschiedene Redefähigkeiten mitbringen, braucht es unterschiedliche Maßnahmen, damit Sie Ihr gewünschtes Redeniveau kommen.

Das Wort “Ausstrahlung” besagt, dass etwas nach außen strahlt, dass aus dem Innerne eines Menschen kommt. Diese Strahlkraft erreichen Sie niemals über eine aufgesetzte Fassade. Ihr wahres Charisma zeigt sich aus Ihrer inneren Motivation und Ihrer Persönlichkeit.

Mein Tipp: Lassen Sie in Ihren Präsentationen und Vorträgen sich selbst und Ihre Persönlichkeit wirken. Seien Sie authentisch. Die Zuhörer wünschen sich Präsentatoren, die eine menschliche Verbindung zum Publikum schaffen. Wenn Ihnen das gelingt, werden auch Ihre Sachthemen bereitwilliger angenommen.